Emys orbicularis (LINNAEUS, 1758) Europäische Sumpfschildkröte

Emys orbicularis orbicularis 1.0 (links) im Vergleich zu Emys orbicularis hellenica 1.0

 

Emys orbicularis orbicularis 0.1 (links) im Vergleich zu  Emys orbicularis hellenica 0.1

 

Aussehen

Die Färbung der Tiere ist in den verschiedenen Populationen sehr variabel. Emys aus dem Süden sind in der Regel heller als solche aus dem Osten und Norden. Dennoch ist eine Zuordnung zu Unterart oder Herkunft der Tiere durch bloße Betrachtung nur selten genauer möglich. Hier kann nur mittels Abstrich aus dem Mundraum (Schleimhautprobe) eine Genanalyse Aufschluß geben. Da sich aber alle Emys orbicularis Unterarten untereinander kreuzen ist es eher fraglich ob eine solche Analyse bei unseren in Gefangenschaft lebenden Schildkröten Sinn macht. Häufig sind Tiere verschiedener Herkünfte im Verlauf der letzten Jahrzehnte in den Teichen der Züchter vergesellschaftet wurden. Außerdem läßt sich meiner Kenntnis nach nur die weibliche Abstammungslinie nachvollziehen.  Züchter welche Wert auf Trennung von Lokalformen gelegt haben, wissen auch aus welcher Region die Tiere stammen und können somit auch ohne Gentest diese einer Unterart zuordnen.

semiadultes Weibchen von E.o.hellenica s.Chalkidiki Griechenland

semiadultes Männchen von E.o.orbicularis Haplotyp Ia

semiadultes Weibchen von E.o.orbicularis Haplotyp IIa

E.o.orbicularis (colchica) männliches Jungtier Haplotyp Ib Arkutino s.o. Bulgarien

3jährige "Gartenteich-Emys" Mischmasch weibliches Jungtier mit recht hellem Carapax welcher später erheblich nachdunkelte.


Der Carapax (Rückenpanzer) kann je nach Unterart oder auch Herkunft z.B. gelb gepunktet auf schwarz/oliven Grund, strahlig in verschiedenen Farbvarianten (gelb/braun/schwarz) oder auch einfarbig  ohne eindeutige Musterung sein. Das Plastron (Bauchpanzer) ist gelb, gelb mit braun bis schwarzen Muster in verschieden starker Ausprägung und Form, häufig strahlig oder einfarbig braun bis schwarz. Auch innerhalb der Populationen ist meist eine gewisse Variabilität der Färbung vorhanden, wobei auch Unterschiede in der Musterung zwischen Weibchen und Männchen möglich sind. Männchen aus dem nördlichen, mittleren und östlichen Verbreitungsgebiet besitzen außerdem eine rote bis braune Iris des Auges. Beim Weibchen ist diese in der Regel gelb. Von Außen sichtbarer Hauptgeschlechtsunterschied ist der dickere und längere Schwanz beim Männchen, wobei die Kloakenöffnung auch weiter in Richtung Schwanzspitze gegenüber denen der Weibchen sitzt. Das Plastron der männlichen, adulten Tiere ist kongav (nach innen eingedellt).

Verbreitung

Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist in weiten Teilen Europas, in Nordwestafrika und Teilen Westasiens in unterschiedlich dichten Populationen verbreitet.  Aufgrund des weiten Verbreitungsgebietes der Art, Isolationsmechanismen wie Geographische Barrieren u.s.w. gibt es morphologische Abweichungen zwischen den Populationen, welche neben der Genanalyse zur Beschreibung verschiedener Unterarten führte.

Eine entscheidende Rolle für die Ausbildung der Unterarten spielt die Wanderung der Tiere vor und nach den Eiszeiten. Zurückgedrängt von den Eismassen wanderten die Populationen nach Süden ab um in geeigneten Rückzugsgebieten ( glaziale Refugien ) zu leben. In den Warmzeiten wurden dann wieder nördlichere Gebiete besiedelt. Durch Verschiedengründige Isolationsmechanismen sind dann im Laufe der Zeit nahe Verwande Populationen getrennt wurden. So leben z.B. Heute Emys orbicularis orbicularis aus Ostdeutschland und Westpolen  hunderte von Kilometern von den nahen Verwanden aus dem südwestlichen Schwarzmeerraum auseinander.

Die auf Sizilien vorkommenden Tiere sind als neue Art (Emys trinacris) beschrieben, jedoch von einigen Autoren und Experten aufgrund der genetischen- als auch habituellen Ähnlichkeit zu den angrenzenden Emys orbicularis Populationen nicht als solche anerkannt wurden.

Verbreitungskarte

nach Iverson J.B. 1992 A Revised Checklist with Distribution Maps of theWorld, Privately Printed Richmond, Indiana

 

Die Karte entspricht nicht mehr ganz dem aktuellen Kenntnisstand der Verbreitung. Unter anderem sind wohl seit den 80er Jahren keine autochthonen? Tiere mehr aus den Leipziger Auwäldern bekannt.

Auch in Deutschland (Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) sind ursprüngliche (autochthone) Vorkommen dieser Art, mit allerdings sehr geringen Stückzahlen bekannt. Es sind Maßnahmen der "Naturschutzstation Rhinluch" zum Erhalt dieser Populationen eingeleitet wurden. Unter anderem werden Gelege der einheimischen Tiere geborgen, inkubiert und die juvenilen Schildkröten später in ihre angestammten -, neu wiedererrichteten - oder scheinbar geeigneten neuen Gewässer entlassen. Hierzu ist es u.a. notwendig Land käuflich zu erwerben Gewässer und umliegende terrestrische Bereiche wieder zu rekultivieren und künstliche Eiablagehügel zu schaffen.

Wärend am Anfang des Projektes Mitte der 90er Jahre wohl keine juvenilen und semiadulten Tiere in diesen Emys-Restpopulationen anzutreffen waren sieht dies Heute anders aus. Der Bestand ist altermäßig durchmischt. Leider ist es wohl aber auch so das ein Anstieg der Individuenzahl dieser autochthonen (einheimischen) Populationen nach über eineinhalb Jahrzehnten nicht erreicht wurde. Grund hierfür ist die Einwanderung (ca. Ende der 90erJahre) zweier nicht angestammter Prädatoren. Zum einen ist das der Marderhund welcher aus Asien zu uns eingewandert ist und zum anderen der Waschbär welcher in riesigen Stückzahlen in den Habitaten vorkommt. Deutschlandweit soll es z.Z. (2011) ca. 1 Million Waschbären geben! Mir persönlich selbst sind  2 Halter von Emys orbicularis bekannt welche durch diese Freßfeinde insgesamt über 20 Tiere verloren haben. Ohne dieses Artenschutzprojekt würde sich die Situation in den Ostdeutschen Habitaten jedoch deutlich schlechter darstellen! Heute werden ca. 50% der verstorbenen

Emys orbicularis aus Brandenburg und Mecklenburg Angriffen durch Waschbär und Marderhund zugerechnet, die es ja bei den ersten Emyszählungen noch gar nicht im Habitat der Emys gab! Demnach gäbe es meiner Rechnung nach Heute fast  50 % mehr Emys orbicularis als noch vor 15 Jahren.

Weitere Vorkommen wohl einheimischer Emys orbicularis mit nur wenigen Exemblaren sind u.a. aus dem Reinheimer Teich (Hessen) und dem Pfrunger Ried (Baden-Würtemberg) bekannt.

  

Emys orbicularis sind an ihren natürlichen Lebensraum perfekt angepaßt- Emys o.orbicularis (colchica) Arkutino, so Bulgarien

Lebensraum

Emys bevorzugen stehende oder langsamfließende Gewässer mit reicher Wasserpflanzenvegetation. Auch in von Menschen erbauten künstlichen Kanälen, Bewässerungs- und Abwassergräben sind sie anzutreffen. Auf Sardinien sind nach Literaturberichten selbst in schneller fließenden, steinigen Flüssen Exemplare von Emys orbicularis heimisch. Auch Brackwassergebiete werden besiedelt.Als Sonnenplätze werden ins Wasser ragende Baumstämme bevorzugt, ansonsten alle sich bietenden Möglichkeiten im Uferbereich zum Aufwärmen genutzt. Die Tiere sind extrem Schreckhaft und flüchten schon bei der kleinsten Gefahr ins Wasser, wo sie dann für eine Weile verschwunden sind. Neben der Wahrnehmung durch Sichtkontakt sind die Tiere vor allem auf kleinste Erschütterungen sensibilisiert. Tiere aus südlichen Populationen welche in temporären Gewässern angesiedelt sind führen eine Sommerruhe durch indem sie sich im Schlamm des Gewässergrundes eingraben. 

Die Hauptpaarungszeit ist das Frühjahr eine nicht mehr so Intensive folgt im Herbst. Die Eiablageplätze  sind nach Süden ausgerichtet und gegenüber dem Gewässer erhöht angelegt, wobei diese in Gewässernähe aber auch bis zu mehreren Kilometern von diesen entfernt liegen. Im nördlichen Verbreitungsgebiet findet häufig nur eine Eiablage mit aber 8 bis zu ca. 18 Eiern statt, im südlichen Habitat sind 2 bis 3 Ablagen die Regel wobei pro Gelege dann nur 3-10 Eier üblich sind.

 

Semiadulte Emys o.orbicularis und E.o.hellenica....

... und Teilansicht ihres Teiches mit Binse, Tannenwedel und Wasserhyazinthe
 

Ernährung 

Emys orbicularis ernährt sich omnivor wobei tierische Nahrung deutlich bevorzugt wird.  Es werden u.a. Fische, Frösche, Salamander, Schnecken, Würmer und Insekten gefressen. Pflanzliche Nahrung in Form von Wasserpflanzen oder Wiesenkräutern wird auch gelegentlich, vornehmlich bei höheren Temperaturen, aufgenommen.

Emys orbicularis orbicularis (colchica) Haplotyp Ib - Diese Tiere sind im Erscheinungsbild doch recht dunkel.  Dieses hat nur eine schemenhafte Musterung auf dem Carapax. Es gibt aber auch Colchicas welche ein lebhafteres Punktmuster aufweisen.

Größe und Gewicht

Adulte Emys orbicularis können Panzerlängen von bis zu ca. 22cm erlangen. Dies betrifft vornehmlich die östlichen und nördlichen Populationen. Weibchen erreichen dabei ein Gewicht von bis zu ca. 1500g. Tiere aus dem südlichen Verbreitungsgebiet bleiben mit bis zu 16cm Panzerlänge deutlich kleiner und mit bis zu ca. 600g Körpergewicht auch leichter. Weibchen werden zumeist etwas größer als Männchen. 

E.o.orbicularis Weibchen Haplotyp IIa

E.o.orbicularis Männchen Haplotyp Ia

Emys orbicularis hellenica Haplotyp IVa

Haltung 

Bei der Haltung der Art ist die Herkunft der Tiere zu berücksichtigen. Wärend bei Emys aus nördlichen Populationen eine Mehrmonatige Winterstarre durchgeführt wird, erhalten  Afrikaner eine kürzere Winterstarre oder eine verminderte Aktivitätsphase in der die Temperaturen nicht so tief gesenkt werden. Afrikanische Emys und Tiere aus Südeuropa halten teilweise auch eine Sommerruhe, wobei hier die Herkunft der Tiere, die Sommertemperaturen und die Beschaffenheit des Wohngewässers (z.B. temporär) eine Rolle spielt. In solchen temporären Gewässern, welche im Sommer oft vollkommen trocken fallen, vergraben sie die Emys im Schlamm und tauchen erst wieder auf wenn die herbstlichen Regenfälle einsetzen. Die Vorfahren unserer E.o.o.(colchica) stammen aus solch einem Gebiet. Wir halten unsere Emys orbicularis orbicularis, Emys orbicularis (colchica) und Emys orbicularis hellenica von Mitte März bis Mitte November in Freilandteichen. Die restliche Zeit starren sie bei ca. 5°C im Keller. Die Gruppenhaltung bei einem leichten Überhang von Weibchen hat sich bei uns als vollkommen unproblematisch erwiesen. Ausreichende Platzverhältnisse, gute Strukturierung und Versteckplätze  unter Wasser und im Uferbereich sind natürlich Grundvoraussetzung für eine "friedliche Vergesellschaftung".

Teichansicht im Sommer 2006

Unsere Teiche liegen Vollsonnig. Die Hälfte der Teichfläche besteht aus Flachwasserbereichen, welche sich schnell erwärmen können.Tiefere Abschnitte sind nicht nur zum Schwimmen für die Tiere, sondern auch als Wärmespeicher bei Temperaturstürzen von Nutzen. Die tiefsten Stellen liegen bei ca. 70 cm, was nicht für eine Freilandüberwinterung ausreicht. Hierfür sollte mindestens 1 Meter Mindesttiefe vorhanden sein. In diesem Jahr (2006) lag die Dicke der Eisdecke in den Gewässern des südlichen Sachsen-Anhalt bei bis zu 60cm. Die am Grund des Teiches entstehende Mulmschicht wird von uns nicht entfernt, da sie als Deckung für die Tiere und als Biofilter funkiert. Wichtig sind auch in das Wasser ragende Baumstämme welche zum Sonnen genutzt werden. Unsere Emys halten sich auch abgetaucht häufig unter den Stämmen auf. Schwimmpflanzen geben die notwendige Deckung, so daß sich die Tiere sicher fühlen.Die Teichufer sollten seicht verlaufen, da auch Sumpfschildkröten bei plötzlichen Temperaturabfällen ertrinken können. Unsere Teiche werden nicht extra gefiltert. Bei einem Besatz von 1 bis 2 Tieren pro m³ Wasser ist dies nicht notwendig.


 

Die Flachwasserbepflanzung besteht  hier aus Sumpfschwertlilie, Binsen, Tannenwedel und Wolfstrapp. Wasserhyazinthen und Entengrütze explodieren bei warmen Wetter regelrecht.

gerne halten sich die Emys mit ihren Füßen an den Krebsscheeren fest um sich unter der Wasseroberfläche zu sonnen

Emys-Jungtierteich Ende August 2006

Emys sollten sowohl im Tief- als auch im Flachwasserbereich Deckungsmöglichkeiten geboten werden.

gerne treiben die Tiere an der Wasseroberfläche


Unterarten

Alle Emys orbicularis Unterarten bastardieren untereinander. Deshalb sollten Züchter welche Tiere bekannter Herkunft besitzen diese nur Unterart-, besser noch Standortrein untereinander vermehren.

Unterartengruppe Unterart Beschreiber Deutscher Name Vorkommen, Herkunft Haplotyp
Occidentalis-Gruppe E.o.occidentalis Fritz, 1993 Nordafrikanische Sumpfschildkröte Nordafrika im Norden von Algerien, Marokko und Tunesien VIc
  E.o.hispanica Fritz, Keller und Budde, 1996 Spanische Sumpfschildkröte Spanien (Flußsysteme zum Atlantik) VIb
  E.o.fritzjuergenobsti Fritz, 1993 Obsts Schmuckschildkröte Spanien (Gewässer an der Mittelmeerküste) VIa
Galloitalica-Gruppe E.o.galloitalica Fritz, 1995 Französische Schmuckschildkröte Katalonien (Mittelmeerküste), Südfrankreich, Italien (westl. Mittelmeerküste) V
  E.o.lanzai Fritz, 1995 Lanzas Sumpfschildkröte Korsika V
  E.o.capalongoi Fritz, 1995 Sardische Sumpfschildkröte Sardische Sumpfschildkröte V
  E.o.ingauna Jesu, 2004 Ingauna Sumpfschildkröte Ligurien (Italien)  
Orbicularis-Gruppe

E.o.orbicularis

 

E.o.colchica und

E.o.luteofuscaca

 

wurden 2009 in die Synonomie von E.o.o verwiesen (Fritz @ all 2009)

Linnaeus, 1758 Europäische Sumpfschildkröte

Typ I Von Ost-Polen über Baltikum und Ukraine bis Rußland und Kasachstan

 

Typ II Zentralfrankreich, Donaueinzugsgebiet, Deutschland (MV und BB), West-Polen

 

(ex. E.o.colchica) Südost Balkan,Türkei(Schwarzmeerküste) West- bis Zentralanatolien,Kolchis

 

(ex. E.o.luteofusca)Türkei (Zentralanaltonische Hochebene)

Ia,Ib 

IIa,IIb,IIc,IId

blau gekennzeichnete  zT Unterartenmischlinge mit hellenica

  E.o.eiselti Fritz, Baran, Budak u. Amthauer 1998 Eiselts Sumpfschildkröte Türkei (Umg. von Gaziantep, Südanatolien) X

Hellenica-Gruppe

E.o.hellenica Valenciennes, 1832 Hellenische Sumpfschildkröte Italien Po-Ebene über Istrien, Dalmatinien, Albanien bis Süd-Griechenland

IVa,IVb 

Ib,IIa,IIc,IId 

blau gekennzeichnete zT Unterartenmischlinge mit orbicularis 

Iberica-Gruppe

E.o.persica

E.o.iberica (Georgische Sumpfschildkröte)
wurde 2009 in die Synonomie von E.o.persica verwiesen (Fritz @ all 2009)

Eichwald, 1831 Iranische Sumpfschildkröte

N-Iran, Turkmenistan

S-Dagestan, Aserbaidschan, Armenien

VII

 

 

Auf Sizilien und auch Kalabrien vorkommende Emyspopulationen wurden auf Grund größerer genetischer Unterschiede zu Emys orbicularis und geographischer Barrieren welche keinen Genaustausch mit E.orbicularis zulassen (sollen) als Emys trinacris (Fritz 2005)
beschrieben. Diese Populationen wurden früher unter der Bezeichnung Emys orbicularis cf.hellenica als Haplotyp III geführt

Emys orbicularis orbicularis

Meine Emys sind fast alle sehr scheu und weisen eine große Fluchtdistanz auf. Dies kommt dadurch weil ich sie so wenig wie möglich störe. Bei häufigen Besuchen am Teich verlieren die Tiere aber ihre Scheu und man kann manche von ihnen sogar von Hand (besser Pinzette) füttern.

Emysgelege

wenige Stunden alter E.orbicularis orbicularis Schlüpfling bei dem der Eizahn schön zu sehen ist

zum vergrößern Bild anklicken

E.orbicularis hellenica 2 Wochen alt

 

 

weitere Emys-Bilder gibts hier

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